Alfons Bürgler - page 171

1. Biographie
(vom Künstler über den Künstler)
1936
Am 9. Januar werde ich in Illgau,
einem kleinen Bergdorf im Kanton
Schwyz geboren. Ich bin das sechste
von 11 Kindern.
Meine Mutter stirbt gleich nach
meiner Geburt an inneren Blutun-
gen.
Mein Vater ist Schuhmacher.
Er heiratet bald wieder, doch diese
zweite Frau stirbt kurz danach an
Tuberkulose.
Vier Jahre später heiratet der Vater
seine dritte Frau. Von dieser Verbin-
dung bekomme ich noch fünf Halb-
brüder.
1936 – 1943
Ich verbringe meine Kindheit in
diesem damals noch abgelegenen
Bergdorf.
Gute Beziehungen zu meinen
Geschwistern und Halbgeschwis-
tern. Meine Stiefmutter ist mit
allen sehr streng, mit mir aber ganz
besonders.
Als Kind erlebe ich auch die Ängste
meiner Eltern wegen des Zweiten
Weltkrieges. Für mich fast unwirk-
lich, das Verdunkeln der Fenster am
Abend, das Gebrumm der Bomber
in der Nacht.
Ein Onkel führt mich oft auf einen
Hügel: «Sei ganz still, hörst Du die
Kanonen in Deutschland?»
Ich höre sie, unheimlich. Ich will lie-
ber weiterspielen.
1943 – 1949
Primarschule in Illgau. Wir gehen
nur halbtags zur Schule. Die übrige
Zeit müssen wir Kinder in der Werk-
statt des Vaters mithelfen oder Holz
sammeln und verarbeiten.
Umso mehr geniesse ich es, an
Sonntagen in der Natur herumzu-
tollen oder in den nahe gelegenen
Felswänden halsbrecherische Klette-
reien zu unternehmen.
Bereits als Kind entdecke ich meine
Leidenschaft fürs Zeichnen.
1949
Eintritt in die Klosterschule Disentis,
zwei Jahre Gymnasium.
Naturkunde und Malen sind meine
Lieblingsfächer.
1951
Ich verlasse diese Schule wegen
schlechter Noten im Latein.
Mein Vater schickt mich zum Berufs-
berater. Ich will Tiefseetaucher oder
Bergführer werden. Das gehe nicht,
ich müsse einen richtigen Beruf
wählen.
Ich überlege: Wenn ich Schneider
würde, könnte ich mir selber Kleider
machen. Schönere Kleider wünschte
ich mir schon lange. Also entscheide
ich mich für den Schneiderberuf.
Der Berufsberater weiss mir auch
gleich eine Lehrstelle.
So werde ich tapferer Schneider.
1952 – 1956
Vierjährige Schneiderlehre in
Rothenthurm.
Strenger Lehrmeister. Ich muss elf
Stunden am Tag arbeiten. Kein Aus-
gang am Abend. Mädchen sind für
mich nur in Träumen erlaubt. Male
die Jungfrau (den Berg) einmal
gross, einmal klein. Das kleine Bild
kann ich für zwanzig Franken ver-
kaufen. Ich miete mir eine Gitarre
und spiele viel am Abend in meinem
Zimmer. Erhalte meinen ersten Lie-
besbrief von einem Internatsmäd-
chen. Mein Herz schlägt schneller.
Ich leide. Zurückschreiben ist
schwierig. Die Nonnen würden den
Brief öffnen.
1957 – 1959
Ich will Französisch lernen. Dafür
gehe ich nach Lausanne und stelle
mich in meinem schönsten Anzug
bei Schneidermeister Gisiger vor. Er
befühlt das Revers meines Kittels,
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Alfons auf dem Schoss der Pflegerin, inmitten seiner Geschwister.
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